Protokoll einer Abschiebung

Diese Email erreichte mich am 27.04.2018 mit der Bitte um Verteilung auf allen Kanälen, der ich gerne hiermit nachkomme:

Subject: Protokoll einer Abschiebung
Date: Fri, 27 Apr 2018 03:03:54 +0200
From: Dorothea Blancke

Herr A, Afghanistan, bestens integriert, PROTOKOLL
einer Abschiebung in den vorraussichtlichen Tod!
(Mit der Bitte um Verteilung auf allen Kanälen)

A. flüchtete gemeinsam mit seinem Bruder M aus Afghanistan und befand sich seit 2015 in Österreich.
Er ist ein „Musterschüler“ in Sachen Integration, sowohl im Hinblick auf seine Ausbildung, als auch im sozialen Bereich. Seine Integrationserfolge und insbesondere auch seine sehr guten Deutschkenntnisse können durch mehrere Unterlagen belegt werden:
• ÖSD Zertifikat B2 mit „sehr gut bestanden“ vom 5.10.2017
• Bestätigung über ehrenamtliche Leistungen bei der Caritas („Übersetzungen“) (2017)
• Bestätigung seines schulischen sowie sozialen Engagements durch Prof. HR Dipl. Ing. B. (2017)
• Bestätigung der HTL/Direktorin, Zweig: Umwelttechnik, Energie, Nachhaltigkeit, über seine ausgezeichneten Deutschkenntnisse, guten schulischen Leistungen und sozial guter Integration

Rechtlich vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, VMÖ wurde A. durch eines Erkenntnisses des BVwG vom November 2017 der Status als Asylberechtigter aberkannt. Da er nicht persönlich vorgeladen wurde hatte er keine Möglichkeit von der Konvertierung seines Bruders zum Christentum zu berichten.
Das Erkenntnis ist mit 6.1.2018 rechtskräftig geworden.

A. lässt sich ab nun rechtlich von Migrantinnenverein St. Marx, Wien vertreten, die ihre Arbeit gewissenhaft erledigen.
Beschwerde beim VfGH wird abgewiesen.

Am 5.2.2018 stellte A. einen Antrag auf humanitäres Bleiberecht. Er übergibt sämtliche Dokumente und händigt dem BFa auch persönlich neben Zeugen eine Kopie der Vollmacht seiner rechtlichen Vertretung aus.

Ihm wird eine Kopie des Antrags auf humanitäres Bleiberecht mitgegeben.

Sein Bruder ist Ende 2017 vom Islam zum Christentum konvertiert und erhielt den Status des Asylberechtigten zuerkannt.
A. releviert in seinem Antrag die Konvertierung seines Bruders und daraus resultierende Bedrohungen für Leib und Leben.

Am 6.4.2018 leistete Ahmad in meinem Beisein einer Ladung des BFA Folge, einer Befragung zum Antrag auf humanitäres Bleiberecht.
Die Direktorin der Schule reist an um persönlich über seinen schulischen Erfolg und die hohe Wahrscheinlichkeit für eine fixe Arbeitsstelle zu berichten.
Anders als erwartet, wurde er im Zuge der Befragung nach Beendigung der positiven Befragung und Vorlegung aller Dokumente, Nachweise verhaftet und sofort in Schubhaft genommen (PAZ Hernals, Breitenfeldergasse).

Angeblicher Abschiebetermin am 24.4.2018, Wien -Kabul.

Im Zuge seiner Anhörung in Schubhaft wurden beachtliche „Fehler“ seitens der Behörde, Vertretung ADr. K. gemacht. Diese sind schriftlich festgehalten. A., hat nach mehrmalig verweigerter Bitte um seinen Rechtsbeistand resigniert und unterschrieben.
(Angeblich spreche er kein Deutsch, Rechtsbeistand nicht erforderlich, keine soziale Anbindung, keine Angehörigen in Österreich)

Diese “Fehler “ wurden auch von einem Richter des BVwG in der Verhandlung der eingebrachten Schubhaftbeschwerde am 23.4 sehr deutlich in seinem Urteil bestätigt. (Die ganze Verhandlung wurde trotz Anwesenheit einer Dolmetscherin in Deutsch geführt).

Der Richter enthaftete A. um ca 17.30 am 23.4.18 mit sofortiger Wirkung, auch die beiden folgenden Tage, die Abschiebung wurde auf den 25.4 verlegt, wurde A. Schubhaft frei gestellt. Außerdem wurden ihm vom
Bundesverwaltungsgericht 1600 € Entschädigung für die unrechtmäßige Schubhaft zugesprochen.
Der Richter begründete äußerst gewissenhaft, mit mehreren Punkten sein Urteil.

Der Richter hatte die Verhandlung noch nicht mal richtig beendet, als Herr ADr. K./BfA die beiden im Saal anwesenden Polizisten aufforderte, A. mit sofortiger Wirkung nach dem Anhaltegesetz fest zu nehmen.

Der Richter forderte ADr. K. auf, ihn doch bitte wenigstens seine Verhandlung schließen zu lassen.

Polizist geht zu ADr. K./BfA und tuschelt ihm aufgeregt ins Ohr.

Während im Saal alle fassungslos, verhaften die beiden Polizisten gemäß ihren Anweisungen von ADr. K./BfA den völlig aufgelösten jungen Mann A.

Am 24.4 erwirkt RA B. eine neuerliche Antragstellung auf Asyl/Folgeantrag, der am Vormittag des 24.4. in Schubhaft, PAZ Hernalser Gürtel im Beisein des RA B. ausgefüllt und von A. im Beisen seines RA unterschrieben und abgegeben wird.

Am 25.4. in der Früh erhalte ich auf Anfrage an den RA von A. die Auskunft, dass der Asylantrag bereits seit gestern beim BfA Traiskirchen, Name des zuständigen Beamten bekannt, aufliegt, jedoch nicht angenommen werden soll.

Schnellstens eile ich zur Rossauer Lände um A. noch Geld, Kleider, Schuhe und seine original Taskira (afghanische Geburtsurkunde) mit zu geben.

Auf der Fahrt dorthin kontaktiert mich ein Beamter der Fremdenpolizei, dass A. bereits auf dem Weg nach Schwechat sei und demnächst eingecheckt werde.
Ich ändere das Ziel und fahre Richtung Flughafen.

Treffen mit 3 Fremdenpolizisten (sehr freundlich und entgegen kommend) in Terminal 3.
Meine Bitte mich von A. noch persönlich verabschieden zu können, müssen sie gemäß Vorschrift ablehnen. Auch sein eigener Bruder erhielt keine Gelegenheit A. nochmal zu sehen. Vl nie mehr wieder!

Eine Freundin eilt mir zu Hilfe. Wir begeben uns ins Kaffee/Terminal 1. Direkt vor uns sehen wir durch die Scheiben den Flieger.
Um 14.15 hebt der Flieger mit A. ab, deportiert über Istanbul nach Kabul in seinen voraussichtlichen Tod.

Zurück bleibt am Schreibtisch des Bundesamtes für Asyl ein

A)
offener, nicht bearbeiteter Antrag auf humanitäres Bleiberecht (mit allen erforderlichen Unterlagen, Schulzeugnissen, karitativen Leistungen, Bestätigung 2er Familien zur materiellen Unterstützung bis Arbeitsbeginn, voraussichtlich Ende November) und eine neu eingetroffene Jobzusage einer renommierten Firma, Bruttogehalt 2500€
b)
Neuerlich eingereichter Asylfolgeantrag wegen gravierender Änderung der persönlichen Gefährdung! Bruder zum Christentum konvertiert, Drohungen zur bevorstehenden Steinigung, bzw. Auslieferung an den zuständigen örtlichen Mullah in Afghanistan wurden bereits ausgesprochen.

Was bleibt noch zurück?

Ein gebrochener Bruder
Fassungslose BegleiterInnen, FreundInnen
Fassungslose FürsprecherInnen:
Würdenträger der Kirche, PolitikerInnen, JournalistInnen, PolizistInnen, KünstlerInnen, Wirtschaftstreibende, ManagerInnen, ÄrztInnen, zahllose Personen der Zivilgesellschaft.

Ich bat um Hilfe vor Ort/Kabul um A. sofort untertauchen zu lassen.
Eine Organisation erklärte mir schriftlich (Mail liegt vor), dieser Fall stelle ein viel zu großes Risiko für die gesamte Organisation und alle MitarbeiterInnen dar.

Die 2te Person erschien, nach dem ich den Fall geschildert habe auch nicht!

A. ist nun untergetaucht.
Wir haben Kontakt zu ihm.
Auf dem Weg zum SIM Karten Kauf erkannte ihn ein entfernter Verwandter. A. flüchtete panisch.
Seit dem befindet sich A. nur in seinem Versteck, telefoniert oft mit mir, weint, hat panische Angst.
Ich versuche ihn irgendwie zu trösten und zu beruhigen.
Er schreibt Tagebuch und schickt mir täglich die Aufzeichnungen.
Er hat Angst, dass die SIM Karte zu Ende geht und er wieder hinaus muss, eine neue zu kaufen.

Gute Nacht Österreich! Doro Blancke

Doro Blancke

Obfrau: Gib mir deine Hand
Sitz: ehrenhausen a.d. Südsteirischen weinstraße
Zustelladresse: lazarettgasse 9, 8020 graz